Die Allmacht Gottes
Was bedeutet es, wenn wir heute von der Allmacht Gottes reden?
Ihre Frage zeigt schon an, dass gar nicht so selbstverständlich ist, was wir eigentlich meinen, wenn wir von der Allmacht Gottes reden – obwohl wir diese in fast jedem Gottesdienst bekennen: „Ich glaube an Gott, den Allmächtigen...“
Die Allmacht fordert uns heraus. Denn man könnte Ihre Frage sogar noch weiter zuspitzen: Müssen wir heute überhaupt noch von der Allmacht Gottes reden? Wäre es nicht sinnvoller, auf diesen Ausdruck mitsamt seinem theologiegeschichtlichen und philosophischen Ballast zu verzichten? Und ist es nicht sowieso verwerflich von Gott als „mächtig“ zu reden – gerade nach den Erfahrungen mit dem Missbrauch von Macht, die besonders im 20. Jahrhundert gemacht wurden? Dennoch wird an der Rede von der Allmacht Gottes festgehalten und die Frage beschäftigt die Menschen zu Recht, da in ihr existenzielle menschliche Erfahrungen von Macht und Ohnmacht zum Ausdruck kommen.
Das zeigt sich schon daran, wie die Allmacht theologiegeschichtlich verhandelt wurde. Nämlich in der Theodizeefrage, wie sie zuerst von Lactantius/Epikur und schließlich von Leibniz formuliert wurde: Angesichts der Leidens in der Welt – wie kann Gott gleichzeitig allmächtig und gütig gedacht werden? Das eine scheint das andere stets auszuschließen: Denn ist er allmächtig und lässt das Leiden zu, dann ist er nicht gütig. Ist er gütig und kann das Leiden nicht verhindern, ist er nicht allmächtig. Diese Frage verschärft sich weiter, wenn jeder Erklärungsversuch angesichts des Leidens in der Welt zynisch wirken muss – das war die direkte Kritik Voltaires an Leibniz nach der Erschütterung durch das Erdbeben von Lissabon 1755. Es zeigte sich noch schärfer nach der Erfahrung des grausamen Leids im 20. Jahrhundert, das mit der Chiffre Auschwitz verbunden ist. Angesichts dieses Geschehens von der Allmacht Gottes zu reden, erschien fast unmöglich, so dass der Fokus auf den „dunklen Seiten Gottes“ und der „Ohnmacht Gottes“ lag. Hierzu besonders eindrücklich sind die Äußerungen jüdischer Religionsphilosophen, z.B. E. Wiesels, R. Rubinstein und E. Berkovitz.
Schon hier zeigt sich, dass die Frage nach der Allmacht Gottes als kognitiv-theoretisches Problem nicht gelöst werden kann – man gerät damit immer in Aporien und Erklärungsnöte. Dennoch bleibt die Frage bestehen und kann nun über ihren kognitiven Gehalt hinaus in ihrer emotionalen Dimension verstanden werden : Es ist das eigene Leiden in und an der Welt, das die Frage nach einem allmächtigen Gott oder direkt die Klage an diesen auslöst. Damit verschiebt sich aber der Fokus der Fragestellung weg von der Personalität Gottes hin zu dem Menschen, der in Machtstrukturen lebt, Ohnmacht erfährt und mit diesen umgehen muss.
Ich würde deswegen einen neuen Fokus in der Beschäftigung mit der Allmacht vorschlagen: Die Rede von der Allmacht kann in vielfältige Lebensbezüge sprechen und dort relevant werden, wo Menschen von Macht und von Ohnmacht betroffen sind. Ich würde hier für eine differenzierte Sichtweise plädieren: Wir tendieren dazu, Macht (und damit auch Allmacht) meist sehr schwarz-weiß zu sehen. Entweder wird Macht mit Gewalt und gewalttätiger Herrschaft gleichgesetzt, die es abzuschaffen gilt. Oder es wird versucht, das mit Macht verbundene Risiko zu minimieren, indem von der „Macht der Liebe“ gesprochen wird – und diese Definition möglicherweise als die einzig mögliche für die Allmacht Gottes angesehen wird.
Meine These ist nun: Der gewaltige, zornige, rächende Gott und der liebende, allumfassende Geborgenheit gebende Gott sind beides zunächst Vorstellungen. Und zwar Vorstellungen von der Macht Gottes, die beide im Leben von Menschen transformierende Kraft entfalten können, besonders in Situationen der Ohnmacht: Denn die Rede von der zornigen, rächenden Macht Gottes kann gerade bei traumatischen Ereignissen, die Möglichkeit bieten, meine negativen Emotionen auszudrücken – indem ich Rache und zugleich Gerechtigkeit von Gott erbitte und Gottes Macht meiner Ohnmacht gegenüberstelle und damit unter Umständen eine Möglichkeit habe, diese auszuhalten.
Jenseits von traumatischen Erlebnissen kann die Rede von der Allmacht einen Umgang mit der existentiellen Ohnmacht des Menschen beschreiben: Dann nämlich, wenn sie als Überwältigung durch etwas Größeres erlebt wird. Das ist hoch anschlussfähig an säkulare Erfahrungen: Der Sternenhimmel, an dem mir die Größe des Universums und dementsprechend meine eigene Kleinheit bewusst wird, kann dafür ein Beispiel sein. Ich gehe vor den Myriaden von Sternen auf die Knie – aber nicht aus äußerem Zwang, sondern weil ich von der Intensität der Erfahrung überwältigt werde. Und in solch einem Fall greift die Vorstellung von der Liebe Gottes, wie sie sich bspw. in Psalm 8 zeigt: „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Es ist die alles umfassende, schöpferisch erhaltende und Geborgenheit gebende Macht Gottes. Und wenn die Rede von der Allmacht so gefüllt wird, dann bietet sie ein hohes positives Transformationspotential.
Auf der anderen Seite birgt Rede von der Allmacht immer auch Risiken – dann nämlich, wenn Menschen sie nutzen, um Machstrukturen zu legitimieren und äußeren Zwang anzuwenden. Das kann mit der Rede von dem zornigen, rächenden Gott geschehen, wenn Menschen versuchen, diese Macht Gottes selbst, mit eigenen Mitteln in der Welt durchzusetzen – wie es sich aktuell sehr drastisch in den verschiedenen Formen des Fundamentalismus zeigt. Das kann aber auch dort geschehen, wo im Namen einer bestimmten Frömmigkeit selbst traumatische Lebensereignisse als Ausdruck der „Liebe Gottes“ gedeutet werden müssen und Zweifel und Furcht nicht mehr ausgedrückt werden dürfen.
Die Rede von der Allmacht kann also nur mit einem Bewusstsein für diese Risiken geschehen – aber auch mit einem Bewusstsein für das hohe Potential dieser Rede, gerade für Menschen in traumatischen Situationen. Die Allmacht verweist uns geradezu auf die Notwendigkeit der vorstellungshaften Rede von Gott, in der menschliche Erfahrungen noch einmal anders fassbar werden: Denn solange Menschen sich in Machtstrukturen bewegen und Ohnmacht ausgesetzt sind, solange ist es sinnvoll, die Rede von Gottes Allmacht beizubehalten – sei es als bildhafte Vorstellung, die gerade mit ihren gewalttätigen Konnotation neue Handlungsoptionen eröffnet, sei es als Moment, an dem eigene Erfahrungen mit Macht und Ohnmacht transformiert werden oder sei es als Korrektiv menschlicher Machterfahrungen.
Sondern nur therapeutisch auf die Rede davon hingewiesen.
Gut das war die Fragestellung: "Was bedeutet es, wenn wir heute von der Allmacht Gottes reden?"
Aber gedrückt haben sie sich vor dem Gott, der Ausschwitz sieht, Lissabon, ect. Vor der Überschrift: "Die Allmacht Gottes". Mir geht es nicht um Erklärungen. Sondern um ihren Umgang damit! Ist Gott bei ihnen noch Allmächtig?
Bloß: Das klärt ja immer noch nicht, was mit Allmacht eigentlich gemeint ist – und wie ich versucht habe zu zeigen, ist der Begriff gar nicht so eindeutig, wie es zunächst scheint. Sie sagen, dass Sie keine Erklärungen wollen, sondern Auskunft über meinen Umgang mit der Allmacht – möglicherweise muss ich hier noch einen Schritt weiter ausholen. „Allmacht“ ist zunächst ein Begriff – und als diesen kann ich ihn begriffsgeschichtlich und in seinem theologiegeschichtlichen Gebrauch untersuchen (was ich in der Antwort auf den ersten Kommentar hier getan habe).
Schon in diesem Schritt zeigt sich, dass es ein Begriff ist, der in einem bestimmten Kontext, unter einer bestimmten Fragestellung entstanden und eben nicht aus sich selbst heraus klar ist. Deswegen ist es eine zweite Frage, wie wir mit diesem Begriff heute theologisch verantwortet umgehen können. Mein Antwort wäre, dass wir, geschult an Kant und der Aufklärung, nie die „Allmacht Gottes an sich“ bedenken können. Es sind immer schon wir, die innerhalb der Grenzen unserer Vernunft von „Allmacht“ reden. Auch wir gebrauchen diesen Begriff nicht kontextlos, sondern eingeordnet in die Fragen unserer Zeit – von Leibniz bis in das 20. Jahrhundert hinein deswegen als eine Frage von Schuld und Gerechtigkeit in der Welt. Wie kann Gott in seiner Allmacht das Böse zulassen, oder, schärfer noch: Ist nicht die Existenz von Bösem und Leiden in der Welt eine Widerlegung der Allmacht Gottes? Wiederum: Auf dieser logischen Ebene ist das Problem nicht zu lösen, weil kein menschlicher Gedanke in Gott selbst hineinsehen, ihn definieren könnte. Aber die Frage ist keine bloß abstrakt-theoretische, sondern zugleich eine ethische und höchst emotionale, die an die konkreten Leiderfahrungen von Menschen gebunden ist. Die Frage nach dem moralischen Bösen (unter die bspw. alle die Gräueltaten fallen, die sich mit dem Namen von Auschwitz verbinden) lässt sich unter ethischen Perspektiven verhandeln – und auch diese müssen je für ihre Zeit neu formuliert werden.
Es bleib dennoch die Frage nach dem natürlichen Bösen (malum naturale) und dem metaphysischen Bösen (malum metaphysicum). Warum das natürlich Böse (also bspw. das, was mit der Chiffre „Lissabon“ oder heute mit „Naturkatastrophen“ gemeint ist) in der Welt ist, kann nur spekulativ, d.h. im Ausgriff menschlichen Denkens, erfasst werden – damit ist aber erneut deutlich, dass wir keine Aussage über Gottes Handeln bezüglich dieses Bösen treffen können. Wie aber nun auf solche natürlichen Katastrophen reagieren – die einem ja gerade gar nicht als natürlich, sondern eher im Gegenteil als Abbruch all dessen, was man für „natürlich“ im Sinne von „selbstverständlich“ angenommen hat, erscheinen? Dafür brauchen wir die Kategorie des Bösen, um überhaupt darüber nachzudenken (aber auch dieses Böse ist eben nicht mit dem Bösen an sich zu verwechseln) und unsere Erfahrungen einzuordnen. Eine der bedeutendsten Möglichkeiten kann sein, diese Frage an Gott zu richten – etwa direkt im Modus der Klage, der Anklage gar, wie es sich immer wieder in den Psalmen zeigt. Das ist keine theoretische Betrachtung über die Natur des Bösen, sondern ganz emotional gefärbte Rede – die möglicherweise eine Situation ertragen oder aushalten lässt. Der Gott, der sich in der Begegnung mit solchem Bösen zeigt, ist der Gott, dem wir klagen und den wir gar, wie Hiob, anklagen können – in der Hoffnung und hoffentlich in der Gewissheit, dass diese Klage gehört wird, dass wir eben nicht in dieser Situation verbleiben müssen. Sondern einst eingehen dürfen in jenes Reich, das wir mit dem Begriff von Gottes alles bestimmender Macht verbinden).
Das ist schon eine tiefe Einsicht und gute Formulierung.
Fast möchte man dem nichts mehr zufügen, weil seelsorgerlich. Das ist so meine Stärke nicht im Umgang mit Menschen.
Ich selbst habe den Blick, die Ausschau nach Wahrheit, nach dem álles-seienden Gott´, also auch nach dem Gott, der auch das Denken durchdringt, die Gefühle und das ganze in ein neues Menschsein wandelt! Und so orientiere ich mich nicht nach Menschen oder Zeiten ( Schwachheit oder Kant, Leibniz oder andere Denker und Erfahrungen ), wiewohl dies alles auf dem Weg mit einfliesst und Gottes Wegbereitung sein kann, sondern danach, das Gott mit dem offenbar werden seines Sohnes Jesus Christus, sich selbst offenbar machte.
Somit Glaube ich an Erlösung, die auch die Jetztzeit verbindet mit der Ewigkeit, indem ER die Ewigkeit mit dem Menschen, der im Jetzt lebt aufsucht!
Ja, die Sprache zu dem Thema muss dann letztendlich seelsorgerlich gesprochen werden, aber dann doch bis in die letzte Wahrheit, wenn diese auch nie ein schnell dahingesagtes sein darf, ja, nie einen Allgmeinplatz annimmt!
Was ist mit Allmacht gemeint? "Du durchdringest alles!"
Kein Leben, kein Ding ist ohne dieses Durchdringen, ohne das beständige erhalten von Christus. Wir denken z.B.: als Tischler in Verbindungen chemischer, physikalischer Art, kennen den Kleber den wir verwenden. Und doch, die Kraft der Verbindung ist Christus. Aus unserer Sicht sehen wir aus Erfahrung und probieren die Möglichkeit.
Doch die Frage nach der Wahrheit lehrt vielleicht auch, das ER selbst erkannt werden will, höher als unser Erkennen.
Und wenn es sich auch komisch anliest:
das ist, was ich sich des Herrn rühmen nenne. "Wer sich rühmt, der rühme sich, das er den Herrn kenne!"
In unserer Antwort an den Nächsten sollte dies auftauchen, auch wenn es zuerst wie ein Schlag ins Gesicht aussieht, weil dieser zu erkennen meint, das er den HERRN soo nicht kennt. Wir sagen dies nicht explizit, und doch ist es oft das fehlen des Erlösers als Beziehungs"Status", das mir vorkommt, als Gottes Grösste Botschaft.
Und dies, so meine ich, offenbart auch die ganze Schrift.
So ist für mich die Frage nach der Wahrheit das Entscheidene, und weniger der eigene Verlust oder die Sehnsucht des Menschen, die das Licht des Lebens sein will.
"Auf dieser logischen Ebene ist das Problem nicht zu lösen, weil kein menschlicher Gedanke in Gott selbst hineinsehen, ihn definieren könnte" schrieb Katharina Opalka.
Nun dies ist klar, auch in Anlehnung an Römer 7. Genau hier sehe ich die Position des Menschen gut beschrieben.
"Aber Dank sei Gott durch Jesus Christus!"
Und hier sehe ich die einzige Möglichkeit für den Menschen beschrieben. Es ist Gottes Möglichkeit uns zu durchdringen.
"Mein Antwort wäre, dass wir, geschult an Kant und der Aufklärung, nie die „Allmacht Gottes an sich“ bedenken können." schrieb Katharina Opalka
Geschult an Kant und die Aufklärung führt es mich in den Zerbruch, weil mein Denken, mein Fühlen und Dasein nie etwas erkennen kann, bedenken kann.
Und doch im Umgang mit mir selbst, meinem Denken, Fühlen und Dasein führt Gott mich in den Prozess der Selbstaufgabe. Und, ER kommt hinein in meine Welt, um mir zu helfen, in meinem Denken, Fühlen und Dasein EwigkeitsWorte zu formulieren, erfahren, und auch schon an mir selbst Seine Liebe zu leben.
"Auch wir gebrauchen diesen Begriff nicht kontextlos, sondern eingeordnet in die Fragen unserer Zeit – von Leibniz bis in das 20. Jahrhundert hinein deswegen als eine Frage von Schuld und Gerechtigkeit in der Welt." schrieb Katharina Opalka.
Ja, das rundet es nochmal gut ab!
Vielen Dank für ihre Antwort.
In der Auferweckung Jesu hat Gott uns gezeigt, dass er Herr ist über alle, auch über den Tod, den Herrn alles Herren. Er kann aus dem Tod erwecken, er hat Macht auch über den Tod. D.h. für mein Leben: Es gibt keinen Tiefpunkt, an dem es nicht noch eine Wende geben könnte. Gott ist zu allem mächtig und fähig, aber eben zu allem Guten. Naturkatastrophen gehören zu dieser noch nicht endgültig erlösten Welt und sind z.T. die Folge von Umgang der Menschen mit der Schöpfung. Unheilskatastrophen (z.B. Auschwitz)sind allein dem Menschen und seiner Bosheit anzulasten. Warum Gott nicht eingreift? Hat er es denn nicht getan? Hat die Nazizeit nicht ein Ende gehabt? Hat nicht das Böse seine Grenzen aufgezeigt bekommen? Offenbar hat sich Gott vorgenommen, nicht einzugreifen und dem Menschen seine Freiheit zu lassen. Er seinerseits begeistert Menschen für s e i n e Art von Welt und Zusammenleben, die sich an der Lebenspraxis Jesu orientieren.