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Kirche und Taufe

Für mich persönlich ist Kirche immer dann gegeben, wenn zwei oder drei in Christus Namen zusammen sind. Demnach ist Kirche immer auch möglich, ohne dass Getaufte zu den Zweien oder Dreien gehören. Widersprechen Sie meinen Aussagen oder stimmen Sie ihnen zu? (Markus Bach)

Ich würde als Antwort auf Ihre Frage in der Bibel beginnen: Sie beziehen sich auf den Spruch Jesu „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matthäus 18,20) – dort ist von Kirche erst einmal noch nicht die Rede. Es ist vielmehr eine Zusage Jesu: Dort wo Gemeinschaft stattfindet und der christliche Glaube vermittelt wird, können Menschen auf die Präsenz Jesu Christi vertrauen. In einem zweiten Schritt kann dieser Vers durchaus auf die Kirche bezogen werden. Es gilt aber nicht schon der Umkehrschluss, dass damit schon vollständig erfasst würde, was „Kirche“ meint. Der Vers ist eher eine Zusage als eine feste Definition. Deswegen: Ohne die Gemeinschaft in Jesu Name gibt es sicherlich keine Kirche. Aber was diese „Kirche“ im Vollsinn ausmacht, ist theologiegeschichtlich immer wieder neu verhandelt worden:

Für die Reformatoren ist die Kirche nach der Confessio Augustana, der protestantischen Bekenntnisschrift, „die versamlung aller gleubigen, bey welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sacrament laut des Evangelii gereicht werden.“  (CA 7) Damit ist für die Reformatoren ein Minimalkonsens von Kirche gegeben – der aber, wie Sie sehen, sowohl die Verkündigung des Wortes als auch die Sakramente (also Taufe und Abendmahl) beinhaltet. Die Pointe für die Reformatoren liegt nun darin, dass dieses eben schon ausreicht, um zu bestimmen, was Kirche ist und nicht noch Weiteres (eine bestimmte hierarchische Struktur, ein bestimmtes Verhalten der Gläubigen etc.) dazugehört. In dem Standardwerk „Kirche“ von Eberhardt Hauschildt und Uta Pohl-Patalong aus dem Jahr 2013 wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich diese Bestimmungen der CA auf die Praxis des Glaubens in und an der Kirche beziehen (S. 30). Die Gläubigen sind auf die Vermittlung angewiesen, da sie sich selbst die Zusage von Heil und Trost nicht geben können, weswegen alle Gestaltungsformen in der Kirche daraufhin befragt werden müssen, ob sie die Kommunikation des christlichen Glaubens fördern oder hindern.

Dieses gilt, weil die Kirche noch nicht „Gemeinschaft der Heiligen“ ist, noch nicht perfekt, sondern menschlich fragil, wie in CA 8 ausgeführt wird. Wir können „Kirche“ nur als empirisch bestimmbare, unvollkommene erfahren – die von Ihnen zitierte jesuanische Zusage macht aber darauf aufmerksam, dass unsere Bestimmung dabei nicht stehen bleiben kann, sondern immer schon darüber hinaus geht und sich auf ein Ideal bezieht: Der Name Jesu, für die Reformatoren gefasst als die „unsichtbare/bzw. verborgene Kirche“, die „Gemeinschaft der Heiligen“ oder, mit dem Theologen Albrecht Ritschl gesprochen, „Das Reich Gottes“. Ohne dieses Ideal gäbe es überhaupt keinen Grund, sich als Kirche empirisch zu versammeln – aber weder kann dieses Ideal (die Präsenz Jesu Christi) mit der empirischen Wirklichkeit gleich gesetzt werden, noch kann die sichtbare Kirche ohne den Bezug auf dieses Ideal sinnvoll definiert werden. Deswegen sind auch die zwei oder drei Versammelten auf  eine Form der Vermittlung angewiesen, in der sowohl die Narrationen der Bibel weitergegeben werden als auch die Traditionen und Formen, in denen Glaubende diese Erzählungen kommuniziert und gestaltet haben.

Die Taufe ist genau solch ein Moment der Vermittlung der Tradition und der Kommunikation des christlichen Glaubens, in dem die der gesamten Kirche geltende Zusage einer Person zugesprochen wird – der Beginn eines Lebens mit Gott, in dem das eigene Leben radikal neu als Gottesverhältnis gedeutet wird. Diese Zusage bleibt nicht abstrakt, sondern wird im Akt der Taufe sinnlich und leiblich erfahrbar – und hat eine (performative) Wirkung. Die Taufe ist damit ein Ausdruck dieses Ideals, an dem sich die Gemeinschaft ausrichtet. Es können sich also durchaus Ungetaufte als eine Gemeinschaft in Christus zusammenfinden. Aber sie würde sich ohne gemeinsamen Bezugsrahmen versammeln.

Wir diskutieren in Theologie und Praxis aktuell jedoch oft und viel darüber, was dieser Bezugsrahmen und damit die Kirche in der Gegenwart, d.h. unter den veränderten Bedingungen der Post-Moderne sein könnte (auch hierzu empfehle ich das Buch „Kirche“ von Hauschildt und Pohl-Patalong). Es scheint aber zumindest, als hätte die Taufe auch unter heutigen Bedingungen eine hohe Attraktivität für Menschen in der Begegnung mit Kirche – als Begleitung an einem bestimmten Moment, der eben genau in diesen Traditionen und diesen Erzählungen steht, in der Hoffnung, das zu erfahren, was mit „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind...“ gemeint ist. Und nicht umsonst ist das entsprechende Lied (EG Rheinland 578) auch ein beliebtes Tauflied.

(WM Katharina Opalka) 

 

Zum Weiterlesen:

Eberhardt Hauschildt/Uta Pohl-Patalong: Lehrbuch Praktische Theologie. Kirche, Gütersloh 2013.

Zur Taufe: Dietrich Korsch: Dogmatik im Grundriß. Eine Einführung in die christliche Deutung menschlichen Lebens mit Gott, Tübingen 2000, §18, S. 254-263.

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