Homosexualität
Ist Homosexualität und ihr Ausleben in einer Partnerschaft aus theologischer Sicht eine Sünde?
Die Antwort kann kurz und knapp sein: Nein, denn entscheidend für eine Partnerschaft ist nicht die Art der geschlechtlichen Interaktion, sondern die wechselseitige Liebe, Loyalität und Fürsorge. In der Tradition und bis in die jüngste Zeit hinein ist die Antwort oft anders ausgefallen, weil die biblischen Texte aus einem antiken Kontext und aus Kulturkreisen stammen, die überwiegend die heterosexuelle Beziehung als normativ ansehen – das wiederum spiegelt sich in den Texten. Kirche und Theologie haben sich diese normative Lesart früh zu eigen gemacht und sich in der theologischen Ethik daher nur sehr zögerlich mit einer liberaleren Auslegung vertraut gemacht. Inzwischen ist in der Forschung jedoch deutlich, dass manche Bibeltexte, die bisher als eindeutig heterosexuell normierend gelesen wurden, keineswegs so eindeutig verfasst sind. Ebenso ist deutlich, dass die Bibeltexte wie der christliche Glaube insgesamt jeweils zeit- und gesellschaftsabhängig sind und es daher weder den Text noch den Glauben an und für sich gibt. Entscheidend ist, dass wir uns daher sachlich fundiert mit den Texten auseinandersetzen und jeweils neu miteinander herauszufinden versuchen, wie wir den christlichen Glauben leben und verstehen können. Das gilt jedoch nicht nur für die Frage der Homosexualität, es gilt auch für die Frage familiären Zusammenlebens. Die 2013 publizierte Orientierungshilfe der EKD „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit: Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ ist in diesem Sinne bereits beachtlich mutig gewesen, auch wenn sie die Debatte zunächst eher neu entfacht als gelöst hat und in der Argumentation sicherlich eine weitere Überarbeitung benötigen wird. Das gilt besonders für die überaus komplexe Frage von Familienbildern und Homosexualität, zu der es nicht nur in der Kirche, sondern auch in der theologischen Ethik dringend weitere kritisch differenzierende Studien braucht.
(Prof. Dr. Cornelia Richter)
Zum Weiterlesen:
- Hartmut Kreß: Gleichgeschlechtliche Lebensformen und Nichtdiskriminierung. Initiativen der Rechtspolitik - Argumente der Ethik - Probleme der Kirchen. Referat auf dem Studientag „Kirche und Homosexualität“ der Evang.-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen am 25.11.2010, http://www.sozialethik.uni-bonn.de/kress/vortraege/kress_gleichgeschlechtliche_lebensformen_nichtdiskriminierung_25.11.2010.pdf
- Elisabeth Hartlieb: Kann den Liebe Sünde sein? Zur sexuellen Obsession christlicher Sündenlehre, in: Siegfried Keil/Michael Haspel (Hg.): Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, Neukirchen-Vluyn 2000, 99-121.