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Taufe und Nachfolge

"Taufe und Nachfolge - In Taufen wird zunehmend mehr nur noch der Zuspruch formuliert, aber ist es nicht auch ein Anspruch? Gute Werke aus Glaube? Eltern sagen: Ja, mit Gottes Hilfe, um ihre Kinder dann doch sich selbst zu überlassen. Kann ich unter diesen Umständen eigentlich guten Gewissens taufen?"

 

Die Bedeutung der Taufe ist seit ihren Anfängen nicht eindeutig konnotiert. Aus dogmatischer Perspektive ist sie v.a. christologisch gedeutet worden. So ist die Taufe sichtbares Zeichen für die Eingliederung in den Leib Jesu Christi: Mit der Taufe werden wir zu einem lebendigen Teil der Kirche. Damit ist nach Röm 6 die Vorstellung verbunden, dass das „alte Leben“, das noch von „Sünde“ bestimmt ist, ein absolutes Ende findet und mit dem Auftauchen aus der Taufe ein neues Leben beginnt.

Vor diesem Hintergrund wird die Fokussierung auf die Zusage verständlich, denn hier wird etwas Neues in Gang gesetzt:

„Das im Taufritus zeichenhaft vollzogene Sterben des alten und Auferstehen des neuen Menschen macht zum einen deutlich, dass es hier nicht allein um das schlichte „Gegebensein des Lebens“ geht, sondern um den Übergang von einem alten zu einem neuen Leben – mit der Pointe, dass dieser Übergang die elementare Spannung von Tod und Leben mit sich führt und so dem Getauften gleichsam eine liminale Existenz zwischen beiden Polen zuschreibt. Zum anderen wird die Erneuerung des Menschen nicht als eine innere Wesensverwandlung vor Augen gestellt, sondern als eine von außen zugesprochene und den Täufling aus sich heraussetzende Neubestimmung seines Lebens.“ (Laube, Taufe, 91)

Mit diesem Zuspruch, ein neues Leben im Geist Jesu Christi zu führen, das nicht mehr von „Sünde“ bestimmt ist, geht nun sicherlich auch ein gewisser Anspruch einher. Sie formulieren es auch mit Luther: „Gute Werke aus Glauben“. Die Taufe setzt also einen Startpunkt, auf den man sich erinnernd zurückbeziehen kann, der aber auch immer wieder im eigenen Lebensvollzug reflektiert und angeeignet werden muss. Gerade für unsere Praxis der Kindertaufe ist es daher unumgänglichen, den Getauften, die sich an ihre Taufe meist nicht selbst erinnern können, Zeugnis zu geben und Erinnerung zu ermöglichen. Die Tauferinnerung spielt demnach für die Bedeutsamkeit des eigenen Getauftseins eine wesentliche Rolle. Aber nicht nur die vergegenwärtigende Erinnerung, sondern auch die Kommunikation über die Bedeutung der Taufe in theologischer Hinsicht ist ganz wesentlich dafür, dass der Glaube auch für die eigene Existenz angeeignet und zur Grundlage des eigenen Lebens gemacht werden kann.

Und hier setzen Sie, wenn ich Sie richtig verstehe, an mit Ihrer Frage zum Anspruch, der aus der Taufe erwächst. Interessant sind in diesem Zusammenhang die letzten Untersuchungen zur Kirchenmitgliedschaft (KMU V). Dort ist mit 75 % unter den evangelisch Befragten die Aussage „Ein Kind wird getauft, damit es christlich erzogen werden soll“ eine der häufigsten Begründungen für die Taufe. Die Menschen, die ihr Kind taufen lassen, sind sich demnach des Anspruchs, der mit der Taufe einhergeht, durchaus bewusst. Ihre Verwunderung, dass dieser Anspruch dann jedoch augenscheinlich nicht gelebt wird, kann ich aus der eigenen Erfahrung als Pfarrerin teilen: Wenn man nach ausgiebigen Vorbereitungen und Gesprächen mit Taufeltern und Paten dann gemeinsam den Taufgottesdienst feiert und dort von der gesamten Tauffamilie weder Vaterunser noch Glaubensbekenntnis gemeinsam gesprochen werden (vom Singen ganz zu schweigen), lässt sich schon die Frage stellen, wie unter diesen Bedingungen eigentlich eine „religiöse Erziehung“ aussehen kann. Doch auch hier hilft ein Blick in die Ergebnisse der KMU V: Denn gleichermaßen wie der Anspruch formuliert wird, mit der Taufe, das eigene Kind auch im christlichen Glauben zu erziehen, so schwierig ist genau das, denn viele Menschen wissen nicht, wie so eine christliche Erziehung überhaupt aussehen könnte. Der gegenwärtig zu beobachtende Traditionsabbruch schlägt an dieser Stelle voll durch.

Zwei Entwicklungen sind hier zu berücksichtigen. Zum einen: Religiöse Erziehung meint nicht allein die Unterrichtung in traditionellen Formen des Christentums. Sie umfasst viel mehr als das, v.a. während der ersten Lebensjahre. Hier wäre eine Weitung des binnenkirchlichen Horizonts sehr wichtig: Was macht eigentlich christlichen Glauben aus? Sind es tatsächlich die rein traditionellen Formen, die offensichtlich von immer weniger Menschen geteilt und gelebt werden? Oder ist es nicht vielmehr eine bestimmte Art zu leben, getragen von Vertrauen, (Nächsten-)Liebe, Hoffnung, Dankbarkeit oder Demut angesichts der Erkenntnis, wieviel nicht in der eigenen Entscheidungsmacht liegt? Vieles, was binnenkirchlich als Verlust wahrgenommen wird, zeigt sich bei genauerem Hinsehen in anderen Formen, ist demnach durchaus noch vorhanden. In den Taufgesprächen gilt es dies zu entdecken und die Eltern, Patinnen und Paten auch aufmerksam zu machen, wo sie vielleicht schon „gute Werke aus Glauben“ tun. So könnte auch viel von der oben benannten Unsicherheit angesichts einer „religiösen Erziehung“ angesprochen und bearbeitet werden.

Zum anderen, und dies betrifft nun die Haupt- und Ehrenamtlichen noch konkreter, wäre es wichtig, sich bewusst mit dem Traditionsabbruch auseinanderzusetzen und neue Angebote zu schaffen, diesem zu begegnen. Wir können beklagen, dass es „soweit gekommen“ ist oder darin eine neue Chance entdecken, den Glauben, der unser Leben trägt und erhält wieder neu ins Gespräch zu bringen und ihn auch – gerade durch eine nicht-traditionelle Auseinandersetzung – bereichern zu lassen. Die Taufe bietet hierfür einen wunderbaren Ansatzpunkt, denn hier kommen wir mit Menschen in Kontakt, die ansonsten im binnenkirchlichen Rahmen unterrepräsentiert sind. Eine Taufanfrage könnte so Möglichkeit bieten, eine seelsorgerliche Begleitung (junger) Eltern zu eröffnen, die über die rein organisatorischen Absprachen zum Taufgottesdienst hinausgeht. In Taufgesprächen könnte einfühlsam die Deutung der Taufe, des Segens, der Gemeinschaft in der Kommunikation mit den Eltern, Paten und Patinnen ermöglicht werden. Darüber hinaus könnten Möglichkeiten geschaffen werden, Eltern, Patinnen und Paten in ihrer Aufgabe zu begleiten und ihnen Hilfe zu bieten, Religion in der Gestaltung des Alltags Raum zu schaffen. Zentrale Aufgabe ist dabei nicht die Vermittlung konkreter christlicher Lehrinhalte oder Formen, sondern vielmehr die Ermöglichung einer liebevollen und vertrauensschaffenden Umgebung, in der das Kind gut und glücklich aufwachsen kann. Ist dies gewährleistet, so erfährt dieses Kind in der ganz konkreten Zuwendung viel von dem, was wir als Gnade und Liebe Gottes bezeichnen würden. Dem von Ihnen formuliertem „Anspruch“ wäre damit erst einmal Genüge getan.

Insgesamt kommt allerdings auch der Gemeinde eine größere tragende Rolle zu. Denn nicht nur die Eltern, Patinnen und Paten sind mit diesem „Anspruch“ konfrontiert, sondern auch die Gemeinde:

„Aufgabe der versammelten Gemeinde ist es also erstens, das Bringen des Kindes zur Taufe glaubend und fürbittend zu begleiten und zweitens, Ort und Möglichkeit dafür zu bieten, dass dem Kind nach der Taufe die Inhalte der christlichen Lehre vertraut werden und es in der Gemeinde einen Platz erhält, der es ihm ermöglicht, als Glaubende oder Glaubender unter Gleichgesinnten aufzuwachsen.“ (Spengler, Kindsein, 211)

Demnach muss sich auch die Gemeinde dem Anspruch stellen, Orte und Möglichkeiten zu bieten, dem eigenen Glauben, der in der Taufe gegründet ist, auf die Spur zu kommen, auch wenn dies mit anderen Formen, Vollzügen und v.a. mit einer anderen Sprache geschieht.

Aus diesem Grund würde ich Ihre Frage „Kann ich unter diesen Umständen eigentlich guten Gewissens taufen?" eindeutig mit „Ja!“ beantworten. Solange die Eltern, Patinnen und Paten bereit sind, dem Kind eine Auseinandersetzung mit seinem Glauben nicht zu verweigern, solange Unterstützung bei der Entwicklung eigener Formen religiöser Erziehung und religiösen Lebens in den Familien gewährleistet ist, und solange die Gemeinde auch ihre Zuständigkeit bei der Begleitung ihrer jüngsten Getauften sieht, spricht m.E. nichts gegen eine Taufe von Kindern, in deren zuhause das Christentum eine marginale Rolle zu spielen scheint.

(Pfarrerin Jennifer Vahl)

Literatur:

  • Laube, Martin, Die Taufe. Überlegungen aus systematisch-theologischer Sicht, in: Beetschen, Franziska/Grethlein, Christian/Lienhard, Fritz (Hg.), Taufpraxis. Ein interdisziplinäres Projekt, Leipzig 2017, 65-95.
  • Spengler, Friederike Franziska, Kindsein als Menschsein. Beitrag zu einer integrativen theologischen Anthropologie, Marburg 2005.

 

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