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Das Theodizee-Problem und das Leiden in meinem Leben

Wie wird das Theodizee-Problem in der heutigen Theologie beurteilt? Gibt es noch Gottesvorstellungen, nach denen Gott so in das Geschehen eingreift, daß man sagen kann: Wie kann Gott das zulassen – Erdbeben, Unglücke, Auschwitz, all die individuellen oder großen Schreckensereignisse, nach denen diese Frage gestellt wird?

Das Theodizee-Problem wurde und wird in der Theologie aus vielfältigen Perspektiven betrachtet. Die theologiegeschichtlich lange Zeit einflussreichste Strömung ist sicherlich die, in deren Richtung auch Ihre Frage zielt: Nämlich die Theodizee als ein logisch forderndes, rational zu erklärendes Problem zu durchdenken, wie es Denker von Epikur bzw. Laktanz in der Antike über Leibniz und Kant bis hin zu den Theolog*innen des 20. Jahrhunderts getan haben. Die Frage fokussiert sich dann auf das Handeln Gottes (mit dem die Frage nach der Personalität Gottes eng verknüpft ist, zu der es bereits ein Update von Frau Richter gibt): Warum lässt Gott Leid zu? Wie kann ein allgütiger und allmächtiger Gott angesichts der leidenden Welt gedacht werden? Oder, verschärft noch: Kann Gott angesichts des Leidens überhaupt gedacht werden? In all diesen Ansätzen wurde und wird die Theodizee-Frage zwar auf höchstem Niveau durchdacht, landet aber zwangsläufig in Aporien. Sie kann theoretisch-kognitiv nicht gelöst werden – schon allein, weil über Gottes Motive und sein Handeln nur spekuliert werden kann. „Spekuliert“ heißt: jenseits menschlicher Erfahrungsmöglichkeit postulierend geurteilt. Möglicherweise (und in Einklang mit dem Artikel von Prof. Cornelia Richter in ProFacultate 13, 2015/16, s. bes. S. 29–31) ist es deswegen sinnvoll den Akzent der Fragestellung selbst zu verschieben. Die Frage ähnelt dann eher einer weiteren Frage, die uns auf den Updates gestellt wurde und die ich an dieser Stelle mit einbinde:

„Wenn ich in meinem Leben so viel Schlechtes erfahre, Scheidung, Behinderung, wie kann Gott es gut  meinen mit mir?“

In dieser Formulierung wird die Theodizee-Frage mit aller emotionaler Härte gestellt, insofern es um das mir geschehende Leid geht. Es geht nicht mehr bloß um eine logisch-abstrakte Betrachtung, sondern um eine viel emotionalere Diskussion, die den Menschen in den Blick nimmt. Und damit auch um die Frage, wie dieser Mensch trotz der Erfahrung von Unglück und  Leid, von großen wie kleinen Krisensituationen auf Gott vertrauen kann. Das ändert natürlich auch etwas in der Frage nach dem Gottesbild. Der Fokus der Fragestellung verschiebt sich: Wie erfahre ich etwas als Handeln Gottes, wie deute ich ein Ereignis als Eingreifen Gottes, welche Wirkung hat dieses Ereignis in einer emotional bedrohlichen Situation für mich? Diese Erfahrung, diese Wirkung wird – das ist schon fast eine Plattitüde – höchst individuell sein. Das bedeutet aber auch, dass das Gottesbild, das einem Menschen in einer bedrohlichen und krisenhaften Situation Trost spendet, ihm Kraft gibt oder anderswie hilft, sehr unterschiedlich sein kann: Es kann das Bild von Gott als liebender Mutter sein, die Fürsorge, Geborgenheit und Schutz vermittelt. Es kann das Bild von Gott als zornigem Kriegsherrn sein, das hilft dem eigenen Zorn und der eigenen Wut Ausdruck verleihen, ohne selbst in Gewalt auszubrechen. Es kann das Bild von Gott als mächtigem Herrscher sein, den man für das Geschehen zur Verantwortung ziehen kann. Und möglicherweise ist es gerade der „dunkle“ Gott, der Gott, der sich mir entzogen hat, den ich nur noch im Zweifel finde, der mir an den äußersten Grenzen hilft.

In jedem Fall ist dann aber die Frage nach dem Handeln Gottes nicht abstrakt, logisch-theoretisch zu beantworten, sondern eine Frage, die sich in existentiellen Lebensbezügen stellt und für diese nach Antworten und Bildern sucht. Das macht das Ganze sicherlich nicht einfacher, weil eben keine eindeutige Antwort gegeben werden kann – aber die eigene Sache misst sich und findet ihre Kriterien an den Erzählungen und Redeweise von Menschen in der Bibel, die sich in Krisen befinden, die leiden, klagen und weinen. Und in den Bildern und Erzählungen davon, wie diese Menschen in ihrer ganz existentiellen Bedrohung die Erfahrung gemacht haben, dass sie trotzdem, trotz allem Gottes Wirkung erfahren haben.

Um auf die erste Frage zurückzukommen: Die Aufgabe der Theologie ist, die Gottesbilder zunächst einmal in den biblischen Texten selbst exegetisch freizulegen und ihn ihren Kontexten aufzuzeigen; in der Kirchen- und Traditionsgeschichte deren Transformationen und die Art und Weise darzulegen, wie Menschen sie in welchen Situationen in der Tradition gebraucht haben; in der Systematik zu bestimmen, wie wir überhaupt über Gott und dann dieses spezifisches Gottesbild nachdenken können und schließlich in der Praktischen Theologie dieses situationsgemäß in eine alltagstaugliche Sprache übersetzen.

(WM Katharina Opalka)

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