Von Gott reden
In welchem Maße ist die menschliche Rede von Gott "erlaubt"? Wo ist die Grenze zu ziehen?Welche Erkenntnisse der heutigen Theologie führten dazu, daß die Sakramentalität der Beichte so ins Abseits geriet? Wie verteidigt man diese Bekenntnisswidrigkeit?
Naja, zunächst einmal ist jede Rede von Gott menschliche Rede, sei es in Texten oder in mündlicher Form. Von Gott zu reden ist uns Menschen zudem nicht nur erlaubt, sondern geradezu aufgetragen: Wir sind es, die mit dem Geist Gottes im Herzen von Gott erzählen, ihn bekennen und unseren Glauben reflexiv begleiten. Mit den Pfingstereignissen ist es uns als Aufgabe gestellt, Gottes Geist und Wort weiter in die Welt zu tragen. Ob wir das in den tradierten Formen der biblischen Erzählungen tun oder in jüngeren Geschichten von und mit Gott, das ist dabei sekundär.
Wenn ich Ihre Frage recht verstehe, scheint sie jedoch auf ein anderes Problem zu zielen, nämlich auf diejenige Rede von Gott, die Gott vermenschlicht. Im Fachjargon nennt man das die „anthropomorphe“ Rede von Gott: Es ist diejenige Rede von Gott, die ihn mit Prädikaten benennt, die der menschlichen Vorstellungswelt entstammen, vorzugsweise der sinnlichen Vorstellungswelt: Gott als Schöpferfigur, dem alten Gärtner mit dem grauen Bart gleich. Oder Gott als einen wütenden Feldherrn, der die Gegner niederringt. Oder, das umgekehrte Bild, Gott als der ewig gütige Vater, der mit mildem Lächeln über uns wacht. All diese Bilder kennt unsere Tradition, sie sind Teil der biblischen Texte, der Gebete, der Lieder und auch der Kunst. Sie sind auch wichtig, weil es gut tut, Gott in solch anschaulichen Bildern vorzustellen. Man wird sogar sagen müssen, dass es uns als Menschen extrem schwer fallen würde, uns Gott völlig abstrakt vorzustellen.
Die Schwierigkeit dieser bildhaften, anthropomorphen Rede von Gott beginnt allerdings dort, wo vergessen wird, dass es sich um Bilder und Vorstellungen handelt – und nicht um Gott selbst. Wie Gott selbst ist und wie er wirkt, weiß kein Mensch zu sagen. Er ist unserer Einsicht im wahrsten Sinne des Wortes entzogen; eine Erkenntnis, die schon in zahlreichen biblischen Texten zum Ausdruck gebracht ist. Im 20. Jahrhundert war es u.a. Karl Barth, der diesen Gedanken in ein eindrückliches Zitat gebracht hat: „Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können wissen, und eben damit Gott die Ehre geben.“ [Karl Barth: Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie, 1922]
Die Konsequenz daraus ist, keines unserer Gottesbilder und keine Gottesrede absolut zu setzen. Sondern in allem Reden von Gott zu wissen, dass wir ihn selbst damit nur ahnungsweise erfassen – so gewiss er uns im Leben zugleich sein mag.
(Prof. Dr. Cornelia Richter)